Nigeria Connection

Post aus Afrika

Mal ehrlich, wer hat noch keine dieser Mails aus Nigeria oder anderen Teilen Afrikas erhalten?
Deren Inhalt ungefähr lautet: Hallo ich bin XY aus Irgendwo und wir haben entdeckt, dass Sie der letzte lebende Verwandte / Freund/ Jemand von Herrn Nocheinname sind. Dieser ist leider verstorben und hat ein volles Konto hinterlassen. Hier gibt es Textbeispiele.
Darauf finden sich hohe Millionenbeträge und ausgerechnet Sie, der Mailempfänger sind jetzt der rechtmässige Besitzer, oder als solcher auserkoren.

35 Millionen US Dollar

Natürlich bekommen Sie nicht den gesamten Betrag von sagen wir 35 Millionen US Dollar, aber immerhin 70-90%. Sie müssen sich nur rückmelden.
Bekannt ist diese Masche, bei der nur einer verdient, unter dem Begriff Nigeria Connection.

Erstaunlich ist, wie viele Menschen in die Falle tappen und den Betrügern Geld überweisen um den ausgelobten Betrag zu erhalten. Denn es gibt dann doch immer Probleme und die Millionen werden erst frei, wenn gewisse Gebühren bezahlt und Beamte geschmiert sind. Aber 10.000€ sind ja Peanuts im Vergleich zu zig Millionen US Dollar.

Nigeria callin’

Bei der Rückfahrt von einem Dreh aus Berlin im Mai 2018 war ich am Mail checken und darunter war dann eine aus Nigeria.
Jemand der sich Oyiza nannte würde gerne einen Film in München drehen und überhaupt. Viel Text, wenig Info.
Zuerst habe ich die Mail zur Seite geschoben, aber da noch Stunden an Beifahrereri vor mir lagen, die Nacht vorbei glitt und Zeit im Überfluss vorhanden war tippte ich eine kurze Antwort.

Einen Tag später eine neue Mail. Und ein angehängtes Briefing.
Geld wollte erstmal keiner von mir. Aber man freue sich auf die Zusammenarbeit, von der aus meiner Sicht noch gar nicht die Rede war.
Die Kommunikation war dennoch etwas verworren, mal von Nigeria, dann NewYork dann wieder von einem anderen Ort in Afrika die Rede, wo man sich gerade befände und nur kurz antworten könne.
Und es waren Sätze wie: “Congratulations again on a very successful and note-worthy outing. You must all be proud.” die ich nicht so ganz verorten konnte.

Aber jede Kultur hat ihre Sprachform, das lernt man sehr schnell wenn man auch abseits eines Büros arbeitet.
Ehe ich mich versah war ein Zeitplan da und endlich war die Location klar, das Haus der Kunst in München. Zudem war immer von einem El die Rede.
Und alles bekam Struktur und ich einen Ansprechpartner, den Kurator vor Ort.

El Anatsui
El Anatsui und sein Team bei der Planung

Alles wurde rund, der ghanische Bildhauer El Anatsui war im Begriff eine große Ausstellung im HdK unter dem Titel “Triumphant Scale” für Ende 2019 vorzubereiten.
Und bei Oyiza handelte es sich um eine nigerianische Filmemacherin, die an einer Doku über El Anatsui arbeitete und eben die Ausstellung in München und die Vorbereitungen als Teil mit in den Film aufnehmen mochte.
Dazu brauchte sie jemanden vor Ort, der ab und an vorbeischaute und Interviews oder Entwicklungsschritte der Ausstellung drehte, eben einen wie mich.
Geld war ehrlich gesagt nicht viel vorhanden, aber sowas mache ich gerne.

Die aus Afrika und die Doktorin

Ich hatte da aber noch nicht mit Dr. Elena H. gerechnet.
Ihres Zeichens Pressechefin des HdK. Die wurde von meinem erstmaligen Auftauchen komplett überrascht. Oyiza hatte uns tags zuvor per mail angekündigt und wir knallten gegen eine deutsche Mauer aus “so geht das nicht”.

Nach einigem hin und her waren wir trotzdem drin und konnten drehen. Aber jedes mal wenn wir auftauchten hat man uns sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass wir nicht willkommen sind. Aber jedes mal sind wir reingekommen, manchmal nicht ganz legal, aber für mich wurde es zum Sport, an der promovierten Dame des Hauses vorbei zu kommen, die aus meiner Sicht ein absolut unprofessionelles Verhalten an den Tag legte.
Aber das kann man sich wohl leisten, wenn man in einem hochsubventionierten Apparat arbeitet. In 30 Berufsjahren habe ich das schon einige wenige mal erlebt, leider.

Aus meiner Sicht hat sie sich auch unmöglich gegenüber Oyiza verhalten, wenn ich ehrlich bin nach dem Motto “die von da unten aus Afrika”.
Klassischer unbewusster Rassismus.
El dagegen wurde heftigst umschwänzelt. Insgesamt keine gute Stimmung aber irgendwie passend zur Geschichte des HdK.
Dabei wäre es so einfach gewesen aber deutsches Kompetenzgewummer hat schon immer Dinge unnötig erschwert.

Die Arbeit mit El war sehr angenehm. Keinerlei Allüren, ein Künstler der natürlich sein Werk best dargebracht sehen möchte und mit allen Beteiligten, gerade den Handwerkern die es ja montieren, auf einer Ebene unterwegs ist.

Alles in allem war es ein sehr angenehmer und interessanter Job.
Interessant auch, weil Oyiza immer für Überraschungen gut war.
Bei der Premiere war sie dann auch vor Ort und wir machten zahlreiche Interviews unter den begeisterten Gästen und giftigen Blicken Elenas.

Neulich kam wieder eine Mail aus Nigeria. Ein naher Verwandter ist leider verstorben.
Habe jetzt mal 5000 € überwiesen. Bin bald reich.

Mal in eigener Sache…

… es gibt Jobs die macht man echt gerne, andere sehr gerne und wieder andere, da ist es das zu erwartende Geld das einen durch den Tag trägt, weil der Dreh selbst. Naja.
Das es oft auch einige Wochen dauert, bis das Geld den verschlungenen Pfad vom Kundenkonto über diverse Banken bis hin zum eigenen Konto findet, das ist auch bekannt. Kaum dort angekommen macht es sich meist bald wieder auf die Reise. Geld will man auch nicht sein, immer unterwegs.

Aber davon soll nicht die Rede sein. Hier geht es mal um Jobs die man sehr gerne macht.
“Auf gehts, wir machen meine 5 sinnvollsten Filme pro Jahr” unter diesem Motto packen wir jedes Jahr einmal den Wagen bis Dachkante voll und machen uns zu dritt auf den Weg zu den Menschen die Menschen helfen.
Ausgezeichnete Menschen sind das im ganzen Bundesgebiet.
Ausgezeichnet mit dem “Hidden Mover Award”.
Und wir machen kurze Portraits über diese versteckten Beweger. Dafür haben wir einen Dreh- und einen Schnitttag Zeit und viel Improvisationstalent an unserer Seite.

In den letzten Jahren haben wir dadurch durchweg tolle Leute in Nord Süd West Ost kennengelernt. Sie kümmern sich um Jugendliche, die noch nicht in der Gesellschaft Fuss gefasst haben. Migranten, elternlose Flüchtlinge, Menschen mit Handycap, Schulabbrecher. Oft mit erstaunlichem Erfolg durch einfache Massnahmen.

Da ich und mein Team das jetzt schon einige Jahre begleiten wurde ich vor kurzem dazu interviewt, für den Jahresbericht der Stiftung.

Wer fragt, dem wird geantwortet.
Wer fragt, dem wird geantwortet.

Durch die aktuelle Flüchtlingswelle ist das Thema “Hidden Mover” aktueller denn je. Die engagierten stillen Helfer verdienen unsere Aufmerksamkeit, nicht der geistlos gegen alles anbrüllende tumbe Mob, wie es in Teilen Sachsens gerade passiert. Das Tal der Ahnungslosen.
Denn die Menschen die ankommen sind es wert von uns willkommen geheissen zu werden.

Unter den Flüchtlingen sind viele Jugendliche die ohne ihre Eltern vom Elend weg aufgebrochen sind. ASA, ein Verein aus Bonn, kümmert sich seit Jahren um diese Menschen. ASA wurde 2011 mit dem Hidden Mover Award ausgezeichnet.

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Die jungen Menschen möchten einfach ein Teil der Gesellschaft werden, geben wir ihnen doch die Gelegenheit. Bei 200.000 offenen Lehrstellen darf es da doch keine Diskussion geben.
Willkommen in Deutschland.