Wenn einer eine Reise tut…

… und dabei professionelles Equipment benötigt, dann wartet da mancherorts ordentlich Papierkram auf ihn.

Wo ist das Problem?

Wenn ich mit teurem Equipment in ein anderes Land einreise, dann besteht immer die Möglichkeit, dass ich die Ausrüstung dort verkaufen und Geld machen will. Das denkt zumindest das betroffene Land. Es will daher seinen Anteil am Kuchen.
Umgekehrt kann der bundesdeutsche Zoll bei uns bei der Einreise davon ausgehen, dass man die Kamera o.ä. günstig im Ausland erworben hat und nun ohne Zollgebühren und Mehrwertsteuer einführen möchte. In beiden Fällen kann das teuer werden.

Wie löse ich das Problem?

Bewegt man sich innerhalb Europas (ausser Schweiz), dann ist alles entspannt. Keine Papiere, keine Anmeldungen, kein Zoll.
Im Rest der Welt brauche ich handfeste Beweise, dass ich die Ausrüstung ein- und wieder ausführen werde.
Dafür gibt es unter anderem drei Möglichkeiten um dies zu bewerkstelligen.
Die Originalrechnung mit meiner Adresse und der Seriennummer, eine Nämlichkeitsbescheinigung vom Zoll oder das Carnet.

Das CARNET A.T.A.

Das Carnet A.T.A. (Carnet Admission Temporaire/Temporary Admission) ist wohl der sicherste Weg um mit professioneller Ausrüstung ein- und wieder auszureisen.
Das Carnet A.T.A. ist ein internationales Zollpapier, das der Vereinfachung der Zollförmlichkeiten bei der vorübergehenden Verwendung bestimmter Waren im Ausland dient.
Problem ist nur, nicht jedes Land der Welt ist im Carnet-Verbund.
Eine aktuelle Carnet Länderübersicht der IHK Stuttgart findet ihr hier.

Wie funktioniert das jetzt mit dem Carnet?
Eigentlich relativ einfach. Die Formblätter gibt es bei der lokalen IHK für wenig Euro. Das Ausfüllen ist relativ selbsterklärend. Wichtig ist, dass bei den Preisen der Zeitwert des Equipments anzugeben ist, denn am Ende entscheidet der Gesamtwert des zu exportierenden Equipments über die Carnet Gebühr und ob eine Bürgschaft nötig wird oder nicht. Liegt der aktuelle Gesamtwert unter 10.000 € benötigt man keine Bürgschaft. (Stand IHK Schwaben)
Im Carnet wird jetzt alles mitzunehmende Equipment in mehreren Listen aufgeführt.
Anzugeben sind Zielland, Art mit Seriennummer, Gewicht, Stück, Herstellungsland und der Wert in € zum Zeitpunkt der Ausstellung. Jeder Artikel ist eine eigene Position.

Carnet

Wie tief man sein Equipment aufsplittert, das muss man selbst entscheiden.
Ich mache das immer etwas vom Wert und der Einzelverkaufbarkeit abhängig. So ist zum Beispiel der Body der URSA mini eine Position, ebenso der Viewfinder und auch die Optik. Denn jedes dieser Teile könnte auch einzeln verwendet/veräussert werden.
Akkus nehme ich zum Beispiel nicht im Carnet mit auf.
Die Anzahl der benötigten Einlageblätter richtet sich nach der Zahl der zu durchreisenden Länder mit Carnet Akzeptanz.
Minimal sind es 4 – Ausreise Deutschland (EU), Einreise Carnet Land, Ausreise Carnet Land, Einreise Deutschland (EU).
Ist das Carnet fertig ausgefüllt, dann gibt man es bei der lokalen IHK ab. Dort wird es geprüft und abgestempelt – Stempel sind sehr wichtig. Von jetzt an ist das Carnet 1 Jahr gültig.

Mit dem abgestempelten Carnet und allen darin aufgeführten Gerätschaften geht es dann zum Zoll.
Der prüft, ob die Dinge wirklich existieren, die man in die Liste geschrieben hat, checkt die Seriennummern. Wie genau, das hängt von der Tagesform der Zollbeamten ab.
Ich hatte schon Fälle, da wurde alles genau überprüft, aber auch, dass es so ablief:
Zoll: “Passt das alles?”
Ich: “Ja”
Zoll: “Dann ist gut”
Und wenn es gut ist, dann gibt es wieder Stempel. Jetzt ist das Carnet ausreisebereit.

Es geht los – das Carnet will gestempelt werden.
Dabei müssen wir nicht fliegen, es reicht ein Trip in die Schweiz. Die Schweiz verlangt für die Einfuhr von professionellem Equipment ein Carnet. Tut man das nicht und wird erwischt, dann gibt es einen energischen Vortrag von dem man nur die Hälfte zu verstehen glaubt und man muss zahlen.
Als Deutscher kann man über die EU Mitgliedsstaaten Italien, Frankreich oder Österreich in die Schweiz einreisen. Kommt man zum Beispiel über Österreich, dann muss das Carnet erstmalig an der Österreichisch-schweizerischen Grenze vom österreichischen Zoll abgestempelt werden. Das geht allawei sehr einfach, die Österreicher sind da entspannt. Stempel drauf, Ausfuhrblatt rausreissen und weiter geht es ein paar Meter zum Schweizer.
Wenn der ganz gut aufgelegt ist, dann stempelt er, reisst sein Einfuhrblatt raus und man ist drin.
Leider sind die Schwizer selten gut aufgelegt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Verlässt man die Schweiz jetzt Richtung Italien, dann gilt, erster Stopp beim Eidgenossen am Grenzübergang. Der checkt Carnet mit dem Equipment gegen, stempelt und reisst sein Wiederausfuhrblatt raus. Dann zum italienischen Kollegen und der krallt sich das Wiedereinfuhrblatt und – richtig – stempelt.
Fertig. Das Equipment ist wieder im EU Raum und alles passt.

Nutzt man den Flieger, dann geht es am Abflughafen direkt zum Zoll – VOR der Gepäckaufgabe – und lässt sich sein Carnet abstempeln. Am Zielflughafen geht es nach dem Gepäckband zum dortigen Zoll und man legt sein Carnet vor. Zurück geht es entsprechend.

Der Vorteil des Carnets, es ist offiziell und es funktioniert. Nachteil, nicht wenige Zöllner sind manchmal damit überfordert. Es dauert dann, bis einer kommt, der Ahnung hat und alles wegstempelt.
Eine einfache Alternative ist die Nämlichkeitsbescheinigung vom Zoll.

Vereinfachte Nämlichkeitsbescheinigung im Reiseverkehr

Die sagt soviel wie “Das ist nämlich mein Equipment” und ist kostenlos.
Die Nämlichkeitsbescheinigung besteht aus 2 Seiten die einander sehr ähnlich sind. Mehr Infos gibt es beim Zoll.
Hier könnt ihr die Nämlichkeitsbescheinigung herunterladen.
Das Ausfüllen ist auch hier wieder selbsterklärend.

Wichtig! Beim Equipment bitte NICHT den Wert(*) eintragen. Beschreibung, Anzahl und Seriennummern reichen.
Hat man das getan, dann packt man die beiden Zettel zum Equipment.
Beim Ausreisen geht es dann erstmal zum Zoll, zum Beispiel am Flughafen. Dort legt man die Blätter vor und, falls gewünscht auch das Equipment, (also nicht vorher einchecken).
Der Zoll stempelt dann darauf herum, signiert und behält die erste Seite für sich.
Die zweite Seite ist jetzt bei Bedarf am ausländischen Zoll vorzulegen. Sagt der Zöllner nichts, dann einfach weitergehen.
Diese Seite ist einfach der offizielle Nachweis, dass das Equipment einem gehört und in Deutschland bei Zoll registriert ist.

Kehrt man in die Heimat zurück, dann gibt man diese 2te Seite beim Zoll ab, damit ist die Aus- und Wiedereinfuhr dokumentiert und der Kreis schliesst sich.

Klingt sehr einfach, ist es auch und für kleines Equipment zu empfehlen. Ich weiss allerdings nicht ob der Carnet Fetischist Schweiz das akzeptiert.

(*) mit dem Wert ist das so eine Sache. In Kenia zum Beispiel erkannte der Zoll natürlich auf Grund der Peli-Cases, dass hier keine Normaltouristen einreisen.
Nun beeindruckte ihn zwar unser “Letter of welcome” unseres Auftraggebers und der verstempelte Nämlichkeitsnachweis, aber andere Länder andere Sitten.
Führt man Filmequipment nach Kenia ein, dann wird 1% des Equipmentwertes oder max. 300 $ an nicht zu wiedererstattender Zollgebühr fällig.
Die Beamte fragt einfach “How much is this?” und dann sollte man gut überlegen was man sagt.
Stehen Summen auf der Nämlichkeitsbescheinigung, dann ist man festgelegt.
Noch ein Hinweis – Kenia verlangt eine einmalige Drehgebühr von 5000 Kenia Shilling, also 50$, auch dazu gibt es ein Formblatt.

Die eigene Originalrechnung zum Equipment

Originalrechnungen passend zum mitgenommenen Equipment sollen bei Problemen bei Ein- und/oder Ausfuhr auch helfen.
Problem – auf Originalrechnungen steht der Neupreis, das führt in Fällen wie Kenia zu höheren Gebühren.
Zudem ist eine Rechnung einfach kein offizielles Dokument – weil halt keine Stempel darauf sind, und Stempel liebt der Zollabfertiger.
Ich habe es noch nie mit Originalrechnungen probiert. Entweder Carnet, Nämlichkeitsnachweis oder Augen zu und durch.

Das Carnet ist sicher die aufwändigste, aber auch die anerkannteste Lösung um ohne böse Überraschung rein und wieder raus zu kommen aus einem fremden Land, sofern dieses Carnets akzeptiert.

Zöllner sind auch nur Menschen und daher erlebt man immer wieder Überraschungen. Das Geschriebene dient als Hilfe, ist aber nicht als 100%ig sicherer Tip zu verstehen. Ich hatte auch schon den Fall, wo es nur Dank kleiner, schnell verschwindender Scheine weiterging, trotz Carnet.
Dollarnoten sollte man daher immer zur Hand haben.

Schweizer Käse

Ich bin ein Freund der Europäischen Union. Ich mag die EU und den Gedanken an ein vereintes Europa. Auch wenn es derzeit schlecht aussieht. Die Nörgler und Kissenpupser versuchen es uns madig zu machen.
Wer regelmässig die Landesgrenzen verlässt, der kann die EU nur für gut halten.
Keine Grenzkontrollen, nach Wien zum Dreh zu fahren unterscheidet sich nicht vom Einsatz im Ruhrpott oder im schwedischen Kiruna.
Ich denke Leute, die die EU und ihre Freizügigkeit verteufeln kommen selten aus ihren 4 Wänden raus oder sind bei den Christsozialen.

Warum erzählt ich das? Weil es zum Zwecke der Bewegtbildaufnahme wieder einmal in die Schweiz geht.
Eine Insel mit zig Bergen im vereinten Europa, eine sehr wohlhabende.
Unser Auftraggeber für diesen Job sitzt im sonnigen Florida und der hat von Europa wahrscheinlich genau soviel Ahnung wie wir von den Everglades.
Ich musste ihm das mit dem Carnet erst einmal erklären, denn rüberfahren zu den Eidgenossen und drehen ist nicht. Auch wenn es Yourope ist.

carnet
Ohne Carnet geht in Chile, Sri Lanka, Marokko und natürlich der Schweiz nichts

Für die Schweiz braucht es also ein Carnet, ein Zolldokument, mit dem man höchstoffiziell eine Berufsausrüstung aus der EU aus und in ein Drittland ein- und wieder ausführt um es dann wieder ins Heimatland einzuführen.
Den mehrseitigen Carnetsatz gibt es bei der örtlichen IHK für 3€.
Carnetsatz abholen, im Büro ausfüllen, dann bei der IHK beglaubigen lassen und mit Carnet und Ausrüstung ab zum lokalen Zoll. Nämlichkeitssicherung machen lassen, dass auch alles stimmt was drauf steht, vor allem die Seriennummern. Da ist schnell ein halber Tag um und man selbst urlaubsreif aber reisebereit.

Ein Carnet bedeutet dann auch immer Kontakt zu den Zollstellen des Ziellandes.
Was sehr unterschiedlich ablaufen kann.
In Brasilien weigerten sie sich den Zettelhaufen auch nur anzuschauen, geschweige denn zu stempeln, glücklicherweise auch bei der Ausreise.
In der Türkei, an einem Provinzflughafen, wollten sie uns gar nicht ins Land lassen, da wir an einem Sonntag zurückfliegen wollten, am Sonntag aber der Zoll nicht besetzt sei und niemand uns den Ausfuhrstempel geben könne.
Logische Konsequenz war, wenn sie uns nicht reinlassen, dann entsteht das Problem nicht. Ich danke heute noch unserer fantastischen, türkischen Dolmetscherin die das binnen mehrer Stunden geregelt bekam.
In Äthiopien hatte die Produktionsfirma eigens Leute an den Zoll schicken lassen, die ein Einreise “erleichterten”.
Bei den USA in Kalifornien ging es total unkompliziert und flott, Stempel und “Welcome to the US”. Naja – unsere Daten waren dank NSA eh vor uns da.
In Japan setzt man sich mit dem Zöllner mitten im Flughafen auf den Boden und geht die Liste durch – dauerte bei der Ausfuhr aber nur 20 Sekunden, da ich die gebrauchte Wäsche zum Equipment gepackt hatte und der Zöllner mich erschrocken aufforderte den Stativsack zu schliessen und das Carnet dann eiligst abstempelte. Das mit der Wäsche war ein Tip eines Kollegen. 🙂
Ja und in Mexiko fanden sie das Carnet ganz toll, aber da seien zusätzliche Dokumente von Nöten, die müsse der mexikanische Zöllner erst besorgen, das dauert, das kostet…
Unser Produktionsleiter überreichte daraufhin dem besorgten Beamten 150 US$ in Scheinen und wir wurden abgestempelt und waren drin im Land. Ich habe noch nie so schnell und geschickt Geld in einer Brusttasche verschwinden sehen.

Aber die Schweiz…. Einmal hielten sie uns fest, weil ein Stempel der Franzosen fehlte. Man wollte uns auch nicht zu den nur 100m entfernten Franzosen zurücklassen um den Stempel zu holen. Lang und breit wurde erklärt, wir wären auf schweizer Gebiet und blablubb…
Jahre später gab es einen urplötzlichen Mörderanschiss vom Zöllner weil das Carnet aus seiner Sicht nicht optimal vorbereitet war.
Und beim letzten Übertritt Ende 2013 wurde der Schalter vor meiner Nase geschlossen und der Zöllner verkündete seiner Kollegin lautstark er mache jetzt Pause. Davor hatte er eine Schlange von 10 Leuten abgefertigt, ich war der letzte in der Reihe.
Ich habe mich dann bei der Kollegin angestellt, da ging aber 10 min nichts, da der Pausenzöllner ihr wahnsinnig wichtige Dinge auf Schwitzerdütsch mitteilen musste. Was weiss ich nicht, eventuell die aktuellen Zinssätze der Diktatoreneinlagen oder etwas über eine neue Käsesorte.
“Nie mehr durch die Schweiz” ist ein geflügelter Satz bei manchen Kollegen, die Strecken nach Frankreich oder Italien über die Schweiz abzukürzen pflegten. Denn auch für die Durchreise braucht es ein Carnet.
Der Zöllner ist der erste Kontakt zum Land, wie der Pförtner früher bei einem Unternehmen. War der Pförtner unfreundlich, dann war meist auch das Klima in der Firma….
Bei der Schweiz ist es immerhin im Lande noch ganz angenehm.

Es ist halt schade, dass mitten in Europa dieses Bergvolk residiert und einem beim Grenzübertritt das Gefühl der 80er Jahre vermittelt.
Ich denke, hätte die DDR Geld gehabt, sie wäre der Schweiz nicht unähnlich gewesen. Abgekapselt und auf sich fokusiert.

Wie es diesmal läuft weiss ich nicht – wenn der Blog automatisiert erscheint sind wir bereits im Land von Heidi und Ziegenpeter.

Update:
Wir sind bei Au rüber – problemlos. Waren Zöllnerinnen und wir wurden professionell abgefertigt.
Drinnen war es wie immer sehr nett. Es war mir eine Freude.

Stau am Grenzübergang heim in die EU. Liebe Schweizer - Grenzen in Europa sind out!
Stau am Grenzübergang heim in die EU. Liebe Schweizer – Grenzen in Europa sind out!

Die Partei “Die Partei” übrigens fordert eine Mauer um die Schweiz zu bauen.

www.machdas.de